Corona: Eine Hilfsorganisation zwischen Wahnsinnspreisen und Warenschwund

Eine Helferin steht am Mittwoch (15.04.20) für ein Symbolfoto mit Mundschutz und Handschuhen an einem Fahrzeug des Johanniter-Hausnotrufs in Wunstorf (Region Hannover). Foto: Johanniter/Stefan Simonsen

Johanniter aus Hannover versorgen Verbände in Niedersachsen und Bremen über ein Zentrallager mit dringend benötigtem Schutzmaterial

Hannover. Schutzmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel… Seit Beginn der Corona-Krise ist der Bedarf an Schutzkleidung bei den Johannitern in Niedersachsen und Bremen stark gestiegen. Rund 30 Rettungswachen, acht Pflegedienste und 48 Ortsverbänden müssen versorgt werden – trotz angespannter Warenlage und Material zu völlig überteuerten Preisen. Aufgrund der besonderen Situation, hat sich der Landesverband der Johanniter in Niedersachsen und Bremen dazu entschlossen, die Materialbeschaffung zu zentralisieren: Seit Ende Februar versorgen die Johanniter aus Hannover alle anderen Johanniter-Verbände in Niedersachsen und Bremen mit dringend benötigtem Schutzmaterial.

Freitag, der 28. Februar 2020 war für die fünf Johanniter Benjamin Häselbarth, Dana Jörk, Falco Seekircher, Nils Bültemann und Andreas Honsell vom Ortsverband Hannover-Wasserturm ein sehr besonderer Tag. Die Pandemie stand am Beginn in Deutschland, einen Tag später wurde der erste Sars-CoV2-Infizierte in Niedersachsen gemeldet. „Bei uns wurde nach einer Lagebesprechung im Innenministerium die Entscheidung für das Zentrallager für den Landesverband getroffen“, sagt Benjamin Häselbarth, Fachbereichsleiter Sondereinsatzdienste. Für die geordnete Bestellung von Schutzmaterial für alle Ortsverbände gab es zwei gute Gründe: Zum einen sollten die vielen Verbände nicht gegenseitig um begehrte Ware konkurrieren müssen. Zum anderen erhoffte man sich, durch hohe Bestellmengen gute Ware zu akzeptablen Preisen von verlässlichen Händlern beziehen zu können.

Noch am gleichen Abend legten die fünf Mitarbeiter los. Zunächst riefen sie die ihnen bekannten Händler und Unternehmen an. Die Antworten waren ernüchternd, bis auf Handschuhe in sehr überschaubarer Zahl war nichts mehr zu bekommen. Damit war klar: Es eilt. Die Preise schossen im Stundentakt in die Höhe. „Auf einmal wurden uns einzelne OP-Masken für vier Euro angeboten. Sonst hatten wir vier Euro für ein Paket mit 50 Stück bezahlt“, sagt Falco Seekircher, Teamleiter Sondereinsatzdienste. In 24 Stunden telefonierten die Johanniter mit 350 Unternehmen auf der Suche nach Schutzmaterial. Manchmal mit Erfolg, meist aber nicht, mitunter mit Verwunderung. „Interessant war zum Beispiel, als ein Händler uns Händedesinfektionsmittel anbot mit der Information, man dürfe dies aber nur mit Handschutz verwenden“, erinnert sich Falco Seekircher.

Kaum waren die Bestellungen raus, trafen die ersten Lieferungen ein und sorgten mitunter für Überraschungen. Unvergessen bleibt Notfallsanitäter Andreas Honsell eine Lieferung mit 10.000 Masken, „die die Bezeichnung Maske“ nicht verdiente und umgehend zurückgesandt wurde. So erging es auch einer Ladung vermeintlicher FFP2-Masken, auf die jemand mit schwarzem Stift zusätzlich „FFP2“ geschrieben hatte, was die mindere Qualität allerdings nicht verbesserte. Andreas Honsell: „Es geht zurzeit nicht anders. Wir öffnen jedes Paket, kontrollieren die Ware, probieren sie mitunter auch selbst aus, um ganz sicher zu gehen, dass die versprochene Qualität gegeben ist.“ Es gibt noch einen zweiten Grund für dieses mühevolle Arbeiten: Nicht immer findet sich selbst in originalverpackten Lieferungen die angegebene Warenmenge. Weil das Verschwinden von Schutzmaterial in den meisten Fällen nicht aufgeklärt werden könne, bestellt das Team inzwischen nur noch unter zwei Bedingungen, sagt Benjamin Häselbarth: „Ist die Ware in Deutschland, und können wir sie abholen?“ Wenn das gegeben ist, machen die Johanniter sich auf den Weg. Niemals allein, nicht zu auffällig und immer mit Versicherungsschutz.

Während die Ware bewegt wird, sichtet Nils Bültemann von der Logistik die Lieferscheine und Bestellungen und spricht mit den wartenden Kollegen in Niedersachsen und Bremen. „Am Anfang wurden noch Mengen abgerufen, die nicht lieferbar waren, aber das hat sich inzwischen reguliert. Alle wissen, dass sie verlässlich versorgt werden. Das hat Ruhe reingebracht“, sagt Nils Bültemann. Denn auch bei den Johannitern gilt: Hamstern ist verboten!

Zwischenzeitlich lagen die Angebote für Schutzmaterial mehr als 30- oder sogar 40-fach über dem Normalpreis. „Für einen Schutzanzug, der sonst 1,10 Euro gekostet hat, bezahlen wir zurzeit etwa elf Euro“, sagt Benjamin Häselbarth, aber beim Zehnfachen sei auch Schluss. Generell entspannt sich die Lage auf dem Markt etwas, so der Eindruck des Lager-Teams. Im Vergleich zu der Zeit vor Corona liegen viele Preise aktuell etwa sechs- bis siebenfach höher als üblich.

Dass sich das Team in absehbarer Zeit wieder auflöst und jeder zu seiner eigentlichen Arbeit zurückkehrt, damit rechnet aktuell niemand. Die fünf Johanniter und ihre Mitarbeiter organisieren weiterhin Material für den Corona-Alltag ihrer Kollegen im gesamten Landesverband und bereiten sich zugleich auf mögliche Katastropheneinsätze vor.

Quelle: Johanniter, Landesverband Niedersachsen/Bremen