Bund, Länder und Gemeinden müssen nach Ansicht der Einsatzkräfte
im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz dringend
zusammenkommen, um die Herausforderungen in der Zukunft lösen
zu können. Das ist die Botschaft der 69. Jahresfachtagung der
Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), die
noch bis zum (morgigen) Mittwoch in Münster stattfindet. Zugleich
muss nach Ansicht der Experten die Bevölkerung zunehmend in der
Fähigkeit zur Selbsthilfe gestärkt werden. „Es muss gelingen, über
Hierarchien hinweg zusammenzuarbeiten, sich zusammenzusetzen
und nicht die vorhandenen Strukturen als Hemmnisse zu sehen“,
sagte vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner am Dienstag vor
Journalisten. Aschenbrenner war am Vortrag nach zehn Jahren zum
dritten Mal in seinem Amt bestätigt worden. Ebenso wurde
Vizepräsidentin Anja Hofmann-Böllinghaus einstimmig
wiedergewählt.
„Man ist sehr an Zuständigkeiten verhaftet und nicht
lösungsorientiert“, so Aschenbrenner. „Wenn ich Probleme lösen
will, dann muss ich auch mal die bekannten Strukturen hinter mir
lassen und fragen, was getan werden muss, um morgen eine Lösung
zu haben.“ Dabei gebe es große Hemmnisse. Das möge vielleicht
daran liegen, dass „häufig nicht die operativen Kräfte diejenigen
sind, die zusammenarbeiten“. Vielmehr würden über Juristen und
Verwaltungsstrukturen zunächst einmal ganz viele Formalien
durchlaufen, bevor man zum Ziel komme. „Das dauert sehr lange,
macht Ergebnisse in der Regel aber auch nicht besser“, kritisierte der
vfdb-Präsident. Die Jahresfachtagung sei erneut zur wegweisenden
Veranstaltung der Branche für Transfer von Wissen in die Praxis
geworden. Aschenbrenner: „Uns geht es darum, den Dialog zwischen
Forschung und Entwicklung, Herstellern und Anwendern zu
unterstützen und zu intensivieren.“
Lobende Worte zu den Leistungen der aktiven Einsatzkräfte hatten
zur Eröffnung des dreitägigen Kongresses Nordrhein-Westfalens
Innenminister Herbert Reul und Münsters Oberbürgermeister Markus
Leve gefunden. Leve, der auch Präsident des Deutschen Städtetages
ist, nannte die Feuerwehren als „eine der wichtigsten Säulen dafür,
dass unsere Städte funktionieren. Innenminister Reul sagte: „Was Sie
leisten, ist unbeschreiblich.“ Fassungslos sei er über Angriffe auf
Einsatzkräfte. Zugleich hob er die Bereitschaft vieler Menschen, auch
von Spontanhelfern, hervor, sich „ins Zeug zu legen“.
In rund 50 Vorträgen beleuchteten die Referenten das von der vfdb
betreute große Spektrum in den Bereichen Schutz, Rettung und
Sicherheit. Erstmalig während einer Fachtagung gab es einen „Polit-
Talk“, in dem neben dem Bundestagsabgeordneten Leon Eckert auch
die Landtagsabgeordneten Rüdiger Kauroff aus Niedersachsen und
Verena Schöller aus Nordrhein-Westfalen sowie Katastrophenschutz-
Experte Benno Fritzen diskutierten. „Wir haben das neue Format
eingeführt, damit das, was hier fachlich besprochen wird, auch zur
Politik weiter vordringt“, betonte Dirk Aschenbrenner.
„Herausgekommen ist, dass – wie erwartet – Lösungen für die
Herausforderungen im Bevölkerungsschutz nur schwer zu finden sind,
wenn alle in ihrem System bleiben.“ In der anschließenden
Plenarsitzung appellierten Teilnehmer an die Politik, künftig „einfach
mal auf die Fachleute“ zu hören. Mit „Sonntagsreden“ sei es nicht
getan.
Das Motto der Fachtagung lautete in diesem Jahr: „Können wir uns
auch selbst helfen?“. Für die Vorsitzende des Technischwissenschaftlichen
Beirats der vfdb, Anja Hofmann-Böllinghaus, gibt
es, wie sie berichtete, auf die Fragestellung eine deutliche Antwort,
die jedoch mit einem „aber“ verbunden sei. „Wenn es darauf
ankommt, können sich die Menschen helfen. Jedoch müssen sie auch
dazu angeleitet werden und die nötigen Informationen bekommen“,
so die vfdb-Vizepräsidentin. „Das beginnt im Grunde schon mit der
Erste-Hilfe-Ausbildung im Schulalltag. Auch später: Die Menschen
müssen wissen, dass nicht immer ein Rettungswagen gerufen werden
muss. Allerdings müsse dafür auch die Infrastruktur im
Gesundheitswesen stimmen, so dass niederschwellige Hilfe auch
woanders zu bekommen sei.
Diskutiert wurde am Rande der Jahresfachtagung auch ein
Positionspapier der vfdb zur erforderlichen Reform der
Notfallversorgung. Die Arbeit war vor wenigen Tagen gemeinsam mit
dem Deutschen Roten Kreuz und der Johanniter-Unfall-Hilfe –
maßgeblichen Akteuren im Rettungsdienst – sowie dem Arbeitskreis
Notfallmedizin und Rettungswesen e.V. an der Ludwig-Maximilians-
Universität München vorgestellt worden.
Großen Beifall gab es während der Fachtagung für die Gewinner des
Excellence-Awards durch die vfdb-eigene Stiftung SafeInno. Die
Preise gehören zu den höchsten Auszeichnungen für besondere
Arbeiten im Bereich der Gefahrenabwehr. Sieger sind diesmal: Marie
Claire Ockfen, Wuppertal in der Kategorie „Besondere
organisatorische Leistung“, Dr. Lisa Sander, Hannover, in der
Kategorie „Besondere wissenschaftliche Leistung“ und Dr. Jonas
Schubert, Dresden, in der Kategorie „Besondere Leistung in
Forschung und Entwicklung“.
Unter großem Beifall würdigte Präsident Aschenbrenner während der
Fachtagung die Verdienste des langjährigen vfdb-Generalsekretärs
Dirk Oberhagemann, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Sein
Nachfolger ist Roman Peperhove.
Quelle: vfdb